Baukasten-Systeme für Websites können individuelles Webdesign (noch) nicht ersetzen
12. April 2021
geschätzte Lesezeit: 11 Minuten
Wer Webdesigner nach der Konkurrenz durch Baukasten-Systeme fragt, wird kaum auf lobende Worte stoßen. Wer sieht es schon gern, wenn die potenziellen Kunden lieber selbst aktiv werden, als einen Auftrag für eine individuelle Website zu platzieren. Darüber hinaus gibt es auch abseits ökonomischer Interessen durchaus gute Gründe, Baukasten-Systeme kritisch zu betrachten. Das soll aber nicht heißen, dass diese Option grundsätzlich zu verteufeln ist. Der Rahmen eines sinnvollen Einsatzes ist allerdings relativ eng gesteckt.
Inhalt
- Was ist ein Baukasten-System für Websites?
- Was kostet die Nutzung eines Baukasten-Systems?
- Was sind die Vorteile von Baukasten-Systemen?
- Wie gut ist die Benutzerfreundlichkeit/Usability von Baukasten-Systemen im Vergleich zu einem CMS?
- Abhängigkeiten beim Einsatz von Baukasten-Systemen
- Welche Design-Vorlagen gibt es in Baukasten-Systemen?
- Wie gut sind Baukasten-Systeme für SEO geeignet?
- Fazit zum Einsatz von Baukasten-Systemen
Was ist ein Baukasten-System für Websites?
Ein Baukasten-System für Websites ermöglicht den unkomplizierten Aufbau einer eigenen Online-Präsenz mithilfe von verschiedenen Modulen. Das Prinzip ist zum Beispiel vergleichbar mit dem berühmten Kleiderschrank des großen schwedischen Möbelhauses. Aus einer Vielzahl diverser Bauteile wie Türen, Stangen und Schubladen lässt sich ein den individuellen Bedürfnissen angepasstes Gesamtkonstrukt zusammenstellen. Dafür muss man aber nicht über fortgeschrittene Kenntnisse im Schreiner-Handwerk oder ganz allgemein in der Holzverarbeitung verfügen. So verhält es sich auch bei Baukasten-Systemen. Wie beim Mobiliar wählt man passende Module und setzt sie mit wenigen Handgriffen zusammen. Dafür braucht man keine Kenntnisse in HTML, CSS oder PHP. Klingt hervorragend, hat allerdings auch seine Schattenseiten. Aber der Reihe nach …
Was kostet die Nutzung eines Baukasten-Systems?
Mittlerweile sind diverse Baukasten-Systeme auf dem Markt, die teilweise auch kostenlos genutzt werden können. In der Regel trifft das auf insgesamt relativ simple Systeme oder Angebote mit einem begrenzten Funktionsumfang zu. Das äußert sich zum Beispiel in einem verhältnismäßig niedrigen Seitenlimit oder geringen Möglichkeiten zur Suchmaschinenoptimierung. Einige Angebote finanzieren ihren gebührenfreien (oder zumindest sehr günstigen) Service über die Einbindung von Werbebannern. Für professionelle Websites ist das ein absolutes Ausschlusskriterium, sofern sie nicht ohnehin Werbeanzeigen als natürlichen Bestandteil aufweisen.
Teilweise gelten auch für einen bestimmten Zeitraum (etwa das erste Jahr der Nutzung) stark reduzierte Tarife, die sich dann im Anschluss deutlich erhöhen. Im Mittel liegen die monatlichen Kosten deutschsprachiger Angebote bei ca. 10 Euro, wobei eventuell benötigte Zusatzfunktionen in der Regel mit weiteren Gebühren im Abo-Modell verbunden sind.
Was kostet die Alternative in Form einer selbst gehosteten Website?
Reine Hosting-Pakete kosten bei guten Anbietern ca. fünf bis sechs Euro pro Monat. Wer dort eine statische HTML-Seite oder ein Content Management System wie WordPress nutzt, muss keine weiteren Gebühren einplanen. Lediglich bei umfangreichen Websites mit besonderen Funktionen (z.B. einem Online-Shop) oder Premium-Themes/-Plugins können je nach System zusätzliche Kosten für Erweiterungen anfallen. In den meisten Fällen bewegt man sich dann allerdings in aller Regel auch schon oberhalb der Möglichkeiten von Baukasten-Systemen – diese stellen dann folglich keine Alternative mehr dar.
An dieser Stelle wichtig: Einige Anbieter von Baukasten-Systemen bieten ebenfalls reine Hosting-Pakete an, die in der Preisstruktur ähnlich gestaltet sind (günstige „Testphase“, anschließend überdurchschnittlich hohe Gebühren). Empfehlenswert ist dann also die Wahl eines spezialisierten Hosting-Anbieters, der für sein Baukasten-System keine flächendeckende TV-Werbung betreibt …
Ebenso sollten Tarife und Preise über das jeweils nebenstehende Sternchen auf deutliche Unterschiede hinsichtlich der Vertragsdauer überprüft werden. Zudem kann es nicht schaden, regelmäßig (z.B. jährlich) die aktuellen Hosting-Tarife des Anbieters auf Veränderungen zu prüfen. Einige (große) Anbieter variieren relativ häufig ihre Pakete, sodass Bestandskunden mit automatischer Verlängerung nicht das beste Preis-Leistungs-Verhältnis erreichen.
Was sind die Vorteile von Baukasten-Systemen?
Gegenüber selbst gehosteten Websites auf Basis eines Content Management Systems muss ein Baukasten-System zunächst einmal nicht installiert werden. Auch Kenntnisse in CSS, HTML oder PHP sind wie oben erwähnt nicht notwendig (wenngleich manchmal durchaus hilfreich). Zudem sind Updates und größere Umstrukturierungen bei Baukasten-Systemen unüblich. Das ist bei selbst gehosteten Systemen wie WordPress anders, hier fallen regelmäßig Aktualisierungen an – bei zusätzlich installierten Erweiterungen natürlich umso mehr.
Derartige Ergänzungen (die meist von Dritten programmiert werden) sind bei Baukasten-Systemen normalerweise nicht vorhanden. Das sorgt nicht nur für weniger Updates, sondern eliminiert auch das Risiko etwaiger Inkompatibilitäten und Sicherheitslücken. Ansonsten sind die vermeintlichen Vorteile der Baukasten-Systeme durchaus auch in CMS à la WordPress ganz normaler Standard – das gilt u.a. für die Benutzeroberfläche.
Wie gut ist die Benutzerfreundlichkeit/Usability von Baukasten-Systemen im Vergleich zu einem CMS?
Homepage-Baukästen sind vergleichsweise simpel gestrickt und haben deshalb den vermeintlichen Vorteil, dass quasi jeder damit eine Website erstellen kann. Das stimmt allerdings nicht ganz, ein gewisses Grundverständnis von der Arbeit mit einem PC sollte schon vorhanden sein. Wenn Sie schon einmal eine der TV-Werbungen für einen der Baukästen gesehen haben, bekommen Sie schon ein ungefähres Gefühl dafür, was Sie ggf. erwartet. Anders gesagt: Wenn Sie nicht in der Lage sind, eine Bilddatei per Drag and Drop an der Stelle eines Platzhalters hochzuladen oder Sie Probleme bei der Entscheidungsfindung für Ihre E-Mail-Adresse haben, verzichten Sie lieber auf Experimente und suchen Sie sich direkt professionelle Unterstützung für Ihr Projekt (oder noch besser: Arbeiten sich grundlegend in die Thematik ein). Das ist allerdings schon ein ziemlich extremes Beispiel.
Die Handhabung der Benutzeroberfläche ist für einigermaßen computeraffine Anwender in der Tat relativ simpel. Dennoch unterscheiden sich die konkreten Vorstellungen der Anwender oft vom tatsächlichen Ergebnis, obwohl die investierte Zeit ebenso häufig deutlich über den Erwartungen liegt. Wer dann professionelle Unterstützung sucht, sollte lieber gleich zur selbst gehosteten Alternative auf Basis eines Content Management Systems wie WordPress wechseln. Meist sind die Kosten für eine Website, die problemlos mit einem Baukasten-System umgesetzt werden kann, auch bei einer selbst gehosteten Alternative auf CMS-Basis nicht allzu hoch. Für „Selbstmacher“ sind dann „Framework-Themes“ (wie Avada, Divi, Enfold, etc.) eine gute Grundlage.
Im Prinzip sind diese Frameworks nichts anderes als überdurchschnittlich gute Baukasten-Systeme, die maximale Individualität ermöglichen. So lassen sich bei Bedarf auch Anpassungen in Eigenregie problemlos ohne großes Hintergrundwissen durchführen. Die Page-Builder der beliebten Framework-Themes und sogar der 2019 standardmäßig in WordPress implementierte Gutenberg-Editor mit seinem Block-System sind gut dafür geeignet. Sie unterscheiden sich im Wesentlichen kaum von den intuitiven Oberflächen der Baukasten-Systeme. Allerdings bieten sie bei Bedarf weitaus größere Möglichkeiten bei der Erstellung seiner Seiten und sind nicht an relativ starre Templates gebunden. Sogar die Anpassungen für mobile Geräte sind hier weitaus flexibler möglich als bei den Website-Baukästen – obwohl diese sogar offensiv damit werben, dass ihre Designs für mobile Geräte geeignet sind. Das ist allerdings längst kein besonderes Alleinstellungsmerkmal mehr, sondern der gängige Standard.
Abhängigkeiten beim Einsatz von Baukasten-Systemen
Anders als bei selbst gehosteten Seiten begibt man sich bei Nutzung eines Baukastens deutlich stärker in eine Abhängigkeit. Ein einmal gewähltes Design lässt sich kaum anpassen (und teilweise auch nicht mehr wechseln) und wird im schlimmsten Fall der komplette Dienst eingestellt, steht man sogar ohne Website da. Das ist ein zum Glück eher seltenes Szenario. Viel wahrscheinlicher ist es, dass man den Dienst irgendwann aus freien Stücken nicht mehr nutzen möchte. Gibt man in diesem Zuge die Website komplett auf, ist das natürlich kein Problem. Bei einem Anbieter-Wechsel gestaltet sich der Export und Umzug einer bestehenden Website allerdings schwierig bis (ab einem gewissen Grad) unmöglich.
In der Regel muss die Website dann von Grund auf neu aufgebaut werden, wenngleich Texte und unter Umständen auch Bilder noch mit überschaubarem Aufwand übertragen werden können. Das Grundgerüst hingegen erfordert deutlich mehr Zeit und Geld. Vor allem für den „Nachbau“ des bisherigen Designs fallen (falls überhaupt machbar) erfahrungsgemäß relativ hohe Kosten an. In den meisten Fällen wäre mit Blick auf die zu diesem Zeitpunkt insgesamt aufgelaufenen Kosten ein von vornherein unabhängig aufgebauter Online-Auftritt die einfachere und günstigere Alternative.
An dieser Stelle ist zu beachten: Wer sich über ein Framework-Theme für einen Page-Builder entscheidet, ist auch mit WordPress in gewisser Weise davon abhängig. Ein Wechsel zu einem anderen Editor ist allerdings nicht unmöglich und soll durch den Block-Editor in Zukunft sogar noch sukzessive vereinfacht werden – was natürlich nahelegt, im Idealfall von vornherein auf diesen Standard-Editor zu setzen. Schließlich kann er zumindest für Websites ohne spektakuläre Extravaganzen schon jetzt mit den meisten Baukasten-Systemen (speziell in ihrer kostenfreien Basis-Version) mithalten.
Welche Design-Vorlagen gibt es in Baukasten-Systemen?
Die meisten Baukasten-Systeme liefern durchaus vernünftige und moderne Design-Vorlagen inklusive gängiger Elemente wie Slider oder Galerien. Diese eignen sich bei Bedarf absolut für ansprechende Websites, die sich nicht an einer bestehenden Optik (z.B. Visitenkarten, Flyer o.ä.) orientieren müssen. Schwieriger wird es bei klaren Vorgaben eines Corporate Designs, die sich in der Regel nicht oder nur gegen zusätzliche monatliche Gebühren (theoretisch) umsetzen lassen. Das liegt einerseits daran, dass dann mindestens CSS-Kenntnisse gefragt sind. Andererseits sind auch die dafür benötigten Funktionen nicht in jedem Baukasten-System bzw. -Tarif verfügbar. Ein Aspekt, der auch auf die Suchmaschinenoptimierung zutrifft.
Wie gut sind Baukasten-Systeme für SEO geeignet?
Mitunter werben die Anbieter von Baukasten-Systemen damit, dass die über ihr System erstellten Seiten für eine sehr gute „Google-Platzierung“ optimiert seien. Das ist allerdings aus technischer Sicht ziemlich hochgegriffen (um es zurückhaltend zu formulieren) und in Hinblick auf die Inhalte völlig irrelevant. Dabei kommt es Suchmaschinen vor allem auf eben diese Inhalte an und die liegen schließlich im Verantwortungsbereich der Kunden, übrigens ebenso wie auch einige der technischen Aspekte. Wer also nicht mindestens über ein solides Grundwissen im Bereich der Suchmaschinenoptimierung verfügt, wird mit einem Homepage-Baukasten außerhalb von absoluten Nischen kein nennenswertes Ranking erreichen.
Allerdings gilt das in sehr ähnlichem Maße auch für die Variante eines selbst gehosteten CMS. Hier sind die technischen Grundlagen zwar in der Regel besser, reichen alleine allerdings auch noch lange nicht aus, um eine hohe Sichtbarkeit zu erreichen. Aussagekräftige und gut aufbereitete Inhalte sind aus gutem Grund die größte Hürde bei der Erstellung von erfolgreichen Websites. Dementsprechend steht der Content auf der Prioritätenliste unangefochten an der Spitze. Ohne Inhalte ist selbst das beste Webdesign nur einen Bruchteil seines Potenzials wert.
Ohne Content keine Website
Ein praktisches Beispiel: Ein Kunde gab mir den Auftrag, eine Website für ihn zu erstellen. Nach rund einem Jahr war er mit dem ursprünglichen Auftragnehmer nicht mehr zufrieden, weil dieser angeblich keine produktiven Ergebnisse vorgelegt hatte. Tatsächlich stellte sich aber schon bald heraus, dass schlichtweg keine Inhalte seitens des Auftragsgebers vorbereitet worden waren. Informationen zum Unternehmen oder den Produkten waren bestenfalls bruchstückhaft und nur auf Papier vorhanden – von Fotos ganz zu schweigen. Dementsprechend war auch die zwischenzeitlich mit einem Baukasten-System vom Kunden selbst erstellte Website nicht einmal ansatzweise so umfangreich wie geplant.
Also blieb mir nach dem Einrichten des grundlegenden Systems und der Entwicklung einiger individueller Funktionen nichts anderes übrig, als nach einer Wartezeit von sechs Monaten ohne konkreten Input und trotz diverser Nachfragen meinerseits eine Abschlagsrechnung zu schreiben. Seit nunmehr zwei Jahren ist das Projekt nicht weitergeführt worden – die in der Zwischenzeit angefallenen Kosten dürfte mittlerweile das Drei- oder Vierfache meines damals kalkulierten Angebots betragen …
Fazit zum Einsatz von Baukasten-Systemen
Für die meisten beruflich motivierten Websites sind Baukasten-Systeme nur eingeschränkt zu empfehlen. Grundsätzlich ist die Umsetzung eines Corporate Designs damit schwierig bis unmöglich, insbesondere wenn das Budget gering ist. Besondere Funktionen sollten ebenso wie eine große Anzahl von Unterseiten nicht notwendig sein und die Besucher der Website sollten nicht primär über Suchmaschinen generiert werden.
Für kleine Unternehmen (oder Selbständige), die per Drucksachen (Visitenkarten, Flyer, Print-Werbung) auf sich aufmerksam machen und sich mit ihrer Online-Präsenz (in Eigenregie) lediglich etwas umfangreicher vorstellen wollen, sind Baukasten-System allerdings durchaus eine Alternative. Hier zahlen sich die relativ simple Handhabung und der geringe Aufwand für Updates etc. aus. Lediglich die möglicherweise höheren Gebühren stellen hier noch ein mögliches Argument gegen die Nutzung eines Baukasten-Systems dar – aber hier wird jeder selbst am besten beurteilen können, ob das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.